Es fehlt uns leider inzwischen die Zeit für lange Tagebucheinträge. Aktuelle kürzere Einträge gibt es aber immer wieder auf Maels Facebookseite.
Mit Beginn des neuen Jahres hatte ich mal wieder das Bedürfnis, zurück zu schauen und ein paar Zeilen zu schreiben. Denn auch wenn ich etwas weniger schreibe auf Maels Seite, gibt es nach wie vor sehr Vieles, das uns und unsere Kinder bewegt und beschäftigt. Ein Jahr ist also wieder vorbei. Ein Jahr ist generell im Leben eines Kindes mit NPC eine lange Zeit. Denn niemand kann voraussagen, wie sich das Kind in diesem Jahr entwickelt, ob es stabil bleibt oder ob die Krankheit sich still aber unaufhaltsam ins Leben des Kindes schleicht und sich in neuen Bereichen zeigt. Leider haben Kinder mit NPC viel zu oft zu wenig Zeit und zu wenige Jahre. Zu wenig Zeit um gesund zu sein, um gross zu werden und Träume verwirklichen zu können. Darum kann nur ein Jahr eine halbe Ewigkeit sein und das Bewusstsein dafür hilft uns immer wieder, das zu geniessen, was wir an Glück in unserem Leben haben.
Seit Sommer 2016 nimmt Mael an einer klinischen Studie in England teil und trotz der grossen Belastung, haben wir das alles sehr gut gemeistert. Die Studie ist keineswegs einfach und die Belastung vor allem für Mael sehr gross. Ein ganz spezieller Besuch im Rahmen der Studie war sicherlich, als wir von einer tollen Journalistin begleitet wurden. Der daraus entstandene Film hat uns selber sehr berührt und gibt einen schönen Eindruck in unser und vor allem in Maels Leben mit Niemann Pick C.
Maels Krankheitsverlauf hat sich zum grossen Glück so entwickelt, wie wir es vor einigen Jahren nicht erhofft haben. Mael ist nun bald 10 Jahre alt und kann sehr viele Dinge noch sehr gut. Er spricht und lacht, läuft und bewegt sich noch ziemlich uneingeschränkt und kann in sehr vielen Bereichen im Leben aktiv und voller Freude teilnehmen. Er geht nach wie vor in Udligenswil in die Schule und ist mit der Extra-Hilfe gut aufgehoben. Es gibt sie, die ersten Einschränkungen und Hürden, aber Maels sonniges Gemüt hilft ihm und uns sehr fest, damit gut klarzukommen. Nach wie vor lässt uns die Ungewissheit und das Wissen, was kommt, unsere Herzen immer wieder einfrieren.
Inzwischen ist Maels Bewusstsein schärfer geworden und er hat sehr wohl verstanden, dass er eine sehr schlimme und unheilbare Krankheit hat. Er weiss, dass er ohne eine Heilung behindert werden und er all seine wunderbaren Fähigkeiten verlieren wird. Er weiss es und doch kann er es wohl noch nicht ganz verstehen. Wie auch? Es ist ja auch für uns und alle, die mit diesem wundervollen Kind in irgendeiner Form zu tun haben, schlicht und einfach unvorstellbar. Mael weiss auch, dass er mit grosser Wahrscheinlichkeit früher sterben wird. Es gab deshalb in diesem Jahr einige sehr schwierige Momente mit Tränen und Kummer, die kaum auszuhalten waren. Auch seine Brüder wissen es. Es gab natürlich auch bei ihnen immer wieder Momente, in denen ihre kleinen Seelen damit nicht klarkamen. Jeder drückt es anders aus, aber diese Gefühle der Angst sind hier. Dann stark zu sein, wenn Maels kleiner Bruder schluchzend sagt, dass er Mael so gern hat, dass er ein lieber Bruder ist und er Angst hat, dass sein Bruder sterben muss, ist fast unmöglich. Dann für die Kleinen da zu sein, wenn sie plötzlich ein ganz schlechtes Gewissen haben, weil sie mit Mael gestritten haben und sie das doch nicht wollen, weil er einmal nicht mehr da sein wird, verlangt sehr viel Stärke, die ich in solchen Momenten kaum habe. Solche Momente sind schwierig. Manchmal weine ich einfach mit ihnen und halte sie nur. Denn zu mehr ist mein Herz in diesen Momenten nicht fähig. Immer wieder tröstend für uns alle ist die Tatsache, dass es Mael jetzt im Hier und Heute gut geht und er sehr glücklich ist. Auch darum, weil er seine Geschwister hat, mit denen er lachen und streiten darf und mit denen er einfach ganz normal sein kann. Das hilft gerade seinen Geschwistern sehr fest. Aber es bleibt eine Herausforderung für uns alle und wir hoffen fest, dass wir auch diese annehmen können und einen Weg finden, auf diesem Weg des Verlierens.
Vielleicht haben Maels Geschwister in diesem Jahr deshalb öfter Angst um ihn gehabt, weil Maels Gesundheitszustand in diesem Sommer nicht gut war. Nicht neurologisch, sondern eher aufgrund seiner viel zu grossen Milz und den Komplikationen, die es dadurch geben kann. Im Sommer waren Maels Blutwerte aufgrund diverser Infektionen sehr tief und er war offensichtlich krank. Seine Milz wurde noch grösser und ein Aufenthalt im Spital war unumgänglich. Ihn so schwach und verletzt zu sehen, war für uns alle schwierig. Nach einer schwierigen Zeit erholte er sich allmählich wieder und es war umso schöner, als wir unseren aufgestellten und sonnigen Jungen wieder hatten. Gerade in dem Moment, in dem es ihm endlich besser ging und er wieder Kraft und Energie hatte, kam aber ein sehr grosser Rückschlag, der uns etwas aus der Bahn warf. Mael erlitt aufgrund der wiederholten Lumbalpunktionen im Rahmen der Studie eine sehr schmerzhafte Nebenwirkung, die niemand so vorausgesehen hatte. Er hatte grausame Rückenschmerzen und ein MRI zeigte ein erschreckendes Bild. Plötzlich war alles in Frage gestellt und die Vorwürfe, das schlechte Gewissen und die Angst um ihn waren unglaublich belastend. Ein weiterer Spitalaufenthalt wurde notwendig und es kam die Zeit, in der wir nicht wussten, wie es weitergehen soll. Mael signalisierte zum ersten Mal ganz klar, dass das so für ihn zu viel ist und es tat uns unendlich weh, ihn so leiden zu sehen. Eine Weiterführung der Studie unter diesen Umständen war unmöglich und doch konnten und wollten wir diese Chance, seine einzige Chance im Moment, nicht loslassen. Entscheidungen standen an, die mich persönlich an meine Grenzen gebracht haben. Entscheidungen, die sehr wegweisend und doch kaum zu fällen waren, weil niemand uns genau sagen konnte, was nun zu tun ist und was passieren wird.
Nach einer mehrwöchigen Studienpause haben wir uns Mitte Oktober zu einem Entscheid durchgerungen. Mael erhielt in Birmingham einen intrathekalen Port, mit dem er weiterhin das Medikament im Rahmen der Studie erhalten kann. Dieser Port ist seitlich an seinen Rippen implantiert und führt unter der Haut mit einem dünnen Schlauch direkt zum Liquorraum beim Rückenmark, wo er mit dem Hirnwasser verbunden ist. Der Entscheid für diese neurochirurgische Operation war alles andere als einfach. Denn die Operation war aufgrund seiner Vorgeschichte mit den Problemen am Rücken viel schwieriger und darum auch riskanter. Zudem musste der Eingriff in Birmingham durchgeführt werden und Mael musste mehr als eine Woche dort im Spital sein. Mael war der erste Patient weltweit, der im Rahmen dieser Studie einen intrathekalen Port bekam. Dementsprechend hoch war auch die Anspannung auf Seite der Ärzte und der Studienführung und es wurden sehr viele intensive Abklärungen gemacht. Schon im Voraus sprachen wir mit Mael und seinen Geschwistern über diesen Port und versuchten ihnen zu erklären, wieso dieser Eingriff notwendig ist und was das alles bedeutet. Sie alle mussten verstehen, dass Mael ohne den Port keine Chance mehr auf das Medikament gehabt hätte und wir alles tun, um die bestmögliche Entscheidung für ihn und sein Leben zu fällen. Mitte Oktober war es dann soweit. Die Anspannung war riesig. Maels Operation dauerte viel länger als geplant. Das Gefühl, unseren tapferen Helden wieder in die Arme schliessen zu dürfen, war so erleichternd! Die lange und schwierige Operation hat aber sehr viel von ihm abverlangt und nun musste er sich erholen. Und das war nicht ganz so einfach, wie wir es gehofft haben. Nach einer Woche im Spital in England durfte er wieder nach Hause. Er brauchte Zeit, um sich von dem grossen Eingriff zu erholen.
Inzwischen sind aber schon einige Wochen vergangen und Mael hat sich zum grossen Glück ganz erholt. Seinen kleinen Freund nennt er liebevoll Portli und er hat ihn sehr gut akzeptiert. Auch das ist wieder so typisch für Mael, der einfach aus jeder Situation das Beste macht und unglaublich tapfer ist. Mael braucht aufgrund seiner grossen Milz so oder so mehr Schutz als gesunde Kinder. Nun müssen wir natürlich noch etwas mehr auf ihn aufpassen, um den Port nicht zu beschädigen. Es kann durchaus mit dem Port auch Probleme geben, die eine weitere Operation nach sich ziehen würde. Das alles mussten wir bei unserer Entscheidung in Erwägung ziehen. Aber es gibt auch einen ganz grossen Vorteil, von dem Mael nun schon profitieren konnte. Mit dem Port braucht Mael keine Vollnarkose und keine Lumbalpunktion mehr. Das Medikament kann nun sehr einfach und schmerzfrei via den Port gespritzt werden. Da die Behandlung sehr schnell geht, können wir sie sogar an einem Tag machen, was für uns alle von grossem Wert ist.
So fliegen wir also auch in diesem Jahr alle zwei Wochen nach Birmingham in unser Land der Hoffnungen. Nun aber am Morgen hin und am Abend zurück. Immer wieder schaue ich dabei aus dem Fenster und spüre diese Hoffnung, die uns jeweils begleitet auf unserem Flug über den Kanal. Es bleibt unsere Reise der Hoffnung und wir hoffen ganz fest, dass Maels Reise des Lebens noch viel länger und lebendiger sein wird. Denn die Hoffnung geben wir nach wie vor nicht auf. Auch fürs neue Jahr, indem ich mir für Mael und seine Geschwister vor allem Gesundheit und ganz, ganz viele Glücksmomente wünsche.
Claudia Oetterli
Soeben habe ich den letzten Tagebucheintrag auf Maels Website gelesen. Ein ganzes Jahr ist das nun schon her! Ich denke darüber nach, was in dieser Zeit so alles passiert ist und die Dankbarkeit, dass eigentlich sehr viel und doch nicht viel passiert ist, überwiegt. Mael geht es gut und ist mehr oder weniger stabil. Zumindest sichtbar. Die Lernprobleme in der Schule haben zwar zugenommen, aber zum grossen Glück hat es Mael nicht emotional geschwächt, so dass er bis heute gerne in die Schule geht. Wir haben aber entschieden, dass Mael die zweite Klasse nochmals machen wird. Es war ein reiner Bauchentscheid. Denn normalerweise wiederholen Kinder wie Mael die Klasse nicht mehr, sondern man passt die Lernziele entsprechend an. Eigentlich wäre das normal. Aber irgendwie ist halt bei Maels Weg nichts normal und so haben wir auf Mael gehört, der selber signalisiert hat, dass er nochmals in die zweite Klasse gehen will. Und da er in einer Mischklasse ist, ist das auch wegen seinen Schulkameraden nicht so problematisch. Ein weiterer Grund, wieso wir diesen Schritt gemacht haben, ist auch die Medikamentenstudie, von der wir schon einige Jahren wissen und nun schon lange warten. Nun ist es wirklich endlich soweit. Mael wird die Chance erhalten, an der Studie teilzunehmen. Zwei Jahre werden wir jeden zweiten Dienstag mit ihm nach Birmingham reisen um dort am Children’s Hospital an der Studie mit dem Wirkstoff Cyclodextrin teilzunehmen. Das Prozedere ist schwierig. Da das Medikament mit einer Lumbalpunktion verabreicht wird, brauch Mael eine kurze Narkose. Wir wissen nicht, ob Mael in die Gruppe kommen wird, die das Medikament wirklich erhält oder, ob er nur ein Scheinprozedere bekommen wird. Auch wissen wir nicht, ob er die zu erwartende Nebenwirkung des Hörverlustes haben wird. Wir wissen nicht, ob dieses Medikament wirklich wie erhofft die Krankheit verlangsamen oder noch viel besser stoppen kann. Wir wissen es nicht. Wir wissen einfach, dass NPC ihm früher oder später alles nehmen wird. Alles! Und wir tun einfach alles was wir können, um ihm dieses Schicksal so gut es geht zu ersparen. Wir nehmen viel in Kauf und die Belastung für ihn und uns alle wird gross sein. Aber tief in unseren Herzen wissen wir, dass wir und speziell Mael das schaffen können! Und wenn wir merken, dass wir den falschen Weg für ihn gewählt haben, dann hoffe ich fest, dass wir den Mut haben werden, für ihn und sein Leben einen anderen Weg zu nehmen. Aber nun schlagen wir diesen Weg der Hoffnung ein und hoffen so sehr, dass wir Mael mit unserer Entscheidung etwas Gutes tun! Wenn er nur ein paar Jahre länger sprechen könnte – ein paar Schritte und Spuren mehr auf dieser Welt hinterlassen dürfte, etwas länger von seiner wunderbaren Welt erzählt – etwas mehr vom Leben sieht und wir mit ihm all die schönen Dinge des Lebens erkunden dürfen - dann sind wir schon zufrieden. Wenn ich diese Worte schreibe und nochmals lese, dass Mael nun wirklich in der Studie anfängt, dann kann ich es selber fast nicht glauben, dass wir es geschafft haben! Denn ohne unseren unermüdlichen Einsatz und all die intensiven Stunden, die wir in irgendeiner Form mit dieser Studie verbracht haben, wäre das nicht möglich gewesen! Es war kein leichter Entscheid, ihn in diese Studie zu bringen. Ich weiss noch, wie ich kurz nach der Diagnose vor sechs Jahren zum ersten Mal von diesem Wirkstoff Cyclodextrin hörte. Es war damals schon ein erster, kleiner Lichtblick. Dieses Licht wurde dann in den Jahren mit den ersten positiven und hoffnungsvollen wissenschaftlichen Resultaten und Untersuchungen immer heller und stärker und doch wurde auch immer klarer, dass auch dieses Medikament zwar eine Chance, aber keine Heilung sein könnte. Aber dennoch ist es Maels grösste Chance, wenn wir langfristiger versuchen zu denken. Nebst dieser Medikamentenstudie laufen noch zwei andere Studien und es gibt weitere Ansätze in der Forschung, die vielleicht den ersehnten Erfolg bringen werden. Es wird niemals nur ein Medikament geben gegen diese schreckliche Krankheit. Die Zukunft wird eine Kombinationstherapie sein. Aber bis es soweit ist, wird viel Zeit vergehen. Vielleicht können wir Mael etwas Zeit schenken und vielleicht wird in dieser Zeit sogar ein weiterer Ansatz in der Forschung vorwärtskommen. Vielleicht kommt alles anders, als wir es im Moment befürchten müssen und vielleicht können wir mit der Teilnahme an dieser Studie auch anderen Kindern, die in Zukunft mit NPC geboren werden, eine Chance auf ein Leben geben. Dieser Gedanke hilft mir immer wieder, wenn die Angst wieder stärker als die Hoffnung ist und ich daran zweifle, ob wir nun auf dem richtigen Weg sind. Ganz entscheidend wird sein, dass wir als Eltern gemeinsam diesen Entscheid fällten konnten. Denn alleine würde ich das alles einfach nicht schaffen. Wir werden während dieser Zeit viele liebe Menschen um uns brauchen, die uns helfen, das alles nebst dem normalen Alltag mit vier Kindern zu schaffen. Ganz, ganz grosse Hilfe werden wir bestimmt von unseren Familien bekommen und ich weiss auch, dass es auch hier im Dorf viele Hilfe geben wird, wenn wir sie wirklich brauchen. Wir sind nicht alleine. Und das tut uns so gut. Danke auch euch, die mitlesen, mithoffen, an uns denken und uns Kraft geben. Wir schätzen es so sehr! Claudia Oetterli |
Manchmal kommt es mir vor, als ob ich seit knapp vier Jahren auf einem anderen Planeten lebe. Auf einem Planeten, der sich zwar äusserlich noch nicht gross von dem der anderen unterscheidet, aber doch eine ganz andere Welt ist. Wenn mich jemand fragt, wie es uns und auch Mael so geht, weiss ich manchmal nicht, was ich wirklich antworten soll. Manchmal erzähle ich, wie es Mael und uns geht und, dass wir nach wie vor die Hoffnung einfach nicht aufgeben. Aber manchmal würde ich gerne davon berichten, wie unendlich schwer alles ist und wie sehr diese Ungewissheit alles Alltägliche fremd und schwer macht. Und dann tue ich es doch nicht. Denn ich weiss nicht, ob ich wirklich von meiner Welt erzählen soll. Davon, dass ich in meiner Welt mit Tränen in den Augen ein Fotoalbum von unseren wunderschönen Ferien in Südafrika gestalte und am Schluss überlege, ob ich dieses Album für alle unsere Kinder auch drucken soll – oder doch nur für Lian und Nevin - als Erinnerung an ihren Bruder Mael. Oder davon, dass wir über ein neues Bad diskutieren. Aber nicht darüber, welche Farbe die Fliesen haben könnten, sondern darüber, wie wir das Bad bauen müssten, um Mael möglichst lange bei uns pflegen zu können. Ich könnte davon berichten, dass ich mir immer genau überlege, ob Mael etwas in Zukunft vielleicht mal gebrauchen könnte. Und so behalte ich ein Stillkissen zur Lagerung von Mael im Bett oder die Baby-Spielsachen. Darum, weil Mael vielleicht einmal mit nichts mehr spielen kann und er vielleicht Freude an etwas haben könnte, das eigentlich für ein Baby gedacht wäre. In meiner Welt behalte ich fast alles, was Mael bastelt oder malt. Alles, was er mit seinen wunderbaren Händen gestaltet hat. Alles, auf das er jetzt so unendlich stolz ist. Die schönsten Sachen laminiere ich, damit sie so lange wie möglich schön bleiben und ich sie mit in die Zukunft nehmen kann. Ich schreibe darauf nicht nur seinen Namen und das Datum, sondern auch, wie er dieses Werk gemacht hat und dass ich ihn liebe, dass wir für ihn kämpfen und immer für ihn da sein werden. Und in meiner ganz dunklen Welt zieht sich alles in mir zusammen, wenn wir beim Spazieren am Friedhof vorbeigehen, wo gerade eine Beerdigung ist und Mael mehrmals fragt: „Mami, gell, ich muss noch nicht sterben.“ Mehrmals, bis ich ihm mit Tränen in den Augen altersentsprechend aber ehrlich Antwort gebe, ihn fest halte und mir danach still und traurig überlege, ob wir ihn einmal hier in Udligenswil beerdigen oder doch an einem ganz anderen Ort. Irgendwo, wo wir ganz nahe bei ihm sein werden. Das und noch vieles mehr ist meine Welt. Eine Welt, die mir auch vier Jahre nach der Diagnose noch fremd ist und ich immer noch lernen muss, wie ich mich in dieser Welt am besten zu Recht finde. Aber zum grossen Glück ist es in meiner Welt nicht immer ganz so dunkel. Ich habe schon viel gelernt und kann das, was wir haben, auch ganz gut geniessen und schätzen. Meine kleinen Jungs sind meine besten Lehrer. Denn ihre Welt ist wunderbar und farbig, glücklich und verspielt und so soll es auch bleiben. So lange wie nur irgendwie möglich. Und es gibt wirklich sehr viel Schönes in unserem Leben und das hilft so fest, stark und zuversichtlich zu bleiben. Ich bin sehr dankbar für das ganze letzte Jahr und auch die letzten beiden Monate waren ganz schön und es gab einige schöne Erlebnisse. So natürlich die Weihnachtszeit mit dem Besuch des Samichlaus und des Christkindes. Mael konnte auch dieses Jahr ein Versli auswendig vortragen und sang an Weihnachten mit seinen Brüdern vor dem Tannenbaum voller Stolz und Freude. Unter dem Weihnachtsbaum lagen viele Geschenke und für mich war das grösste Geschenk dieses Jahr, dass es Mael auch diese Weihnachten gut ging und er mit uns war. Seit der Diagnose konnte ich kein Silvester mehr feiern. Zu gross war die Angst vor dem neuen Jahr, vor der Zukunft und all der Ungewissheit. Dieses Jahr habe ich versucht, nicht das neue Jahr, sondern das alte Jahr zu feiern. Ein Jahr, in dem es Mael zum grossen Glück sehr gut ging und wir alle viel Schönes erlebt haben. Mael hat sich dann zu Silvester auch etwas gewünscht: "Mami, ech wönsche mer förs neue Johr ganz vell Glöck Und dieses neue Jahr könnte Maels Jahr werden. Wir haben grosse Hoffnung, dass 2014 die NPC-Forschung einen grossen Schritt weiter kommt. Wir hoffen ganz, ganz fest, dass bis Ende Jahr die erste Phase der Studie mit dem Wirkstoff Cyclodextrin gute Resultate bringen wird und es bis dann die Möglichkeit für Mael gibt, irgendwo in Europa an der Studie teilzunehmen. Irgendwo, irgendwie. Wir würden alle Hebel in Gang setzten, um Mael in diese Studie zu bringen. Für Mael wird 2014 auch in einer anderen Hinsicht ein sehr spezielles Jahr. Er wird 2014 in die Schule kommen. Das steht jetzt schon fest. Und zwar in unserem Dorf in der normalen Schule. Der Start im Kindergarten verlief so gut, dass wir im Moment nicht daran zweifeln, dass es Mael auch in der Schule mit Unterstützung und Hilfe gut haben wird. Mael hat Freunde. Er lacht und spielt. Er leistet Grossartiges und trotzt dieser Krankheit, die in ihm schlummert und ihr Gesicht früher oder später richtig zeigen wird. Wir hoffen einfach auf später. Auf viel später oder gar nie wirklich. Hoffnung – auch dieses Jahr ist das wieder das wichtigste Wort in unserem Leben. Ein Wort, dessen Bedeutung ich erst jetzt richtig verstehe und ohne das ich kaum leben könnte. Claudia Oetterli |
Unsere Kinder waren am 2. Dezember ganz aufgeregt. Am Abend kam der Samichlaus zu uns zu Besuch. Mael hatte die ganze Woche vorher fleissig einen Samichlaus-Vers geübt - jeden Abend im Bett. Und jeden Abend machte er es besser. Mael entwickelt sich sprachlich, abgesehen von leichten phonetischen Problemen, normal und er hat einen guten und grossen Wortschatz. Es freute uns sehr, dass er selber den Vers lernen wollte und er es auch konnte. Am Abend, als der Samichlaus dann kam, war er selbstbewusst und sagte den Vers perfekt und herzig auf. Siehe selbst: Video. Ich hielt ihn dabei, war unendlich stolz und im gleichen Moment wieder so unendlich traurig. Diese Krankheit wird ihm alles nehmen. Alles, und wir wissen nicht, wie lange Mael noch so wunderbar sprechen und denken kann. Ich konnte die Tränen nicht zurückhalten und das musste ich auch nicht. Der Samichlaus war derselbe wie letztes Jahr und wusste über Mael Bescheid. Er wusste, dass dieser Moment für uns unendlich viel Bedeutung hat und wir in diesem Moment glücklich und traurig zugleich waren.
Dass seine sprachlichen Fähigkeiten im Moment in der Norm sind, wurde dann kurze Zeit später auch von einer Entwicklungspsychologin im Kinderspital Luzern bestätigt. Mael geht halbjährlich zu dieser Kontrolle. Auf spielerische Weise macht Mael verschiedene Tests, wo vor allem seine kognitiven und feinmotorischen Fähigkeiten getestet werden. Mael hatte einen guten Tag und machte bei den meisten Tests gut mit. Wir spürten schon während dem Untersuch, dass Mael im letzten halben Jahr in allen getesteten Bereichen Fortschritte gemacht hat. Vor allem auch im Zeichnen. Mael hat zum Beispiel zum ersten Mal eine Malvorlage selbständig und schön ausgemalt und begann auch, konkrete Gegenstände zu malen. Das tat gut! Auch wenn die Entwicklungspsychologin in einigen Bereichen Defizite feststellte. Für uns ist schon alleine die Tatsache wunderbar, dass Mael überhaupt weiter Fortschritte macht und er vor allem sprachlich keine Auffälligkeiten zeigt. Mael hat in den letzten Wochen viel gebastelt, gemalt und sich mit neuen kognitiven Aufgaben beschäftigt. Die Förderung tut ihm wirklich gut, und es ist wunderbar zu sehen, dass es ihm auch hilft.
Im November fand die offizielle Gründung des Vereins MAELS LEBEN statt. Mit dem Verein wollen wir in erster Linie Mael unterstützen, aber auch andere Kinder mit seltenen Krankheiten. Hier ein Beitrag von Tele1, wo Tise im Anschluss auch über den Verein spricht. Anfänglich haben wir uns nicht aktiv um Spendengelder bemüht. Wir erhielten aber verschiedene Spenden direkt auf unser Konto. Manuela Stier, eine liebe Bekannte, die sich für Mael und andere Kinder mit seltenen Krankheiten einsetzt, hat dann für uns eine tolle Spendenaktion lanciert. Am 11. Dezember starteten wir auf der Plattform 100-days.net unser Projekt „Mael – seltene Krankheit“. Ziel war, dass wir innert 100 Tagen mindestens 10‘000 Franken für den Verein zusammenbringen. Unsere Erwartungen wurden unglaublich schnell übertroffen und wir spürten so viel Solidarität und Hilfe. Innert zehn Tagen war das Minimum von 10‘000 Franken bereits erreicht. Die Spendenaktion über diese Online-Plattform läuft nun noch bis am 20. März weiter. Auf dieser Plattform kann man online auf einfache und unkomplizierte Weise spenden. Wir sind gespannt, wie es sich weiter entwickeln wird und freuen uns über jede Spende. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle, die unser Spendenprojekt unterstützt oder es weiter verbreitet haben.
Kein Geld der Welt nimmt uns die Angst und die Sorgen um Mael. Aber es wird uns helfen, Maels Leben in Zukunft besser zu gestalten und ihm zum Beispiel auch die Chance zu geben, an internationalen Forschungsprojekten teilzunehmen. So zum Beispiel am Forschungsprojekt mit dem Wirkstoff Cyclodextrin in den USA. Im Novembereintrag habe ich bereits darüber berichtet. Diesen Monat haben wir noch mehr über die Studie erfahren und wir konnten auch an einer internationalen Online-Konferenz teilnehmen. Vieles wussten wir schon und doch erfuhren wir auch einige neue und interessante Dinge. So zum Beispiel, dass geplant ist, die Forschungsstudie in der zweiten Phase auch international durchzuführen. Denn die Forscher brauchen so viele Patienten wie nur möglich. Und da es weltweit so wenige sind, sind sie auch auf die europäischen Patienten angewiesen. Für uns wäre es eine unglaubliche Entlastung, wenn Mael irgendwo in Europa an der zweiten Phase teilnehmen könnte. Wir meldeten dann erneut unser Interesse an der zweiten Phase der Studie an und bekamen dann Per E-Mail folgende tolle Anwort: ,,it would be very possible for Mael to participate in the trail. We agree that it would be an appropriate point for Mael to be considered for pariticipation in a trial". Wir machen uns also nichts vor und auch das Forschungsteam sieht Mael als einen geeigneten Kandidaten! Das sind wunderbare News und nun müssen wir einfach dran bleiben! Die erste Phase wird mindestens ein Jahr gehen und wir hoffen nun, dass Mael so stabil wie möglich bleibt und er die Chance für eine Teilnahme in der zweiten Phase bekommt.
Noch bevor Weihnachten war, bekamen wir noch ein paar ganz tolle „Geschenke“, die uns alle sehr berührt und gefreut haben. Folgende zwei Nachrichten bekamen wir über Maels Facebook-Account: "Ich habe von dir und deiner Familie erfahren. Dabei habe ich gesehen, dass du bald einmal mit einem feuerwehrroten Helikopter fliegen darfst und du auch als Feuerwehrmann da hingehen willst. Aber weisst du denn genau was ein Feuerwehrmann alles macht, wie seine Ausrüstung genau aussieht? Und bist du schon einmal in einem grossen Löschfahrzeug gefahren und hast mit einem richtigen Schlauch gespritzt? Wenn du Lust hast, dann darfst du und deine Familie gerne einmal zu mir in die Feuerwehr Kriens kommen, damit ich dir alles erklären und zeigen kann. Ich würde mich sehr darüber freuen." Auch der FCL hat von Mael erfahren und sich gemeldet: "Liebe Familie Oetterli, wir haben von Maels Krankheit erfahren und wissen, dass Mael ein kleiner FCL-Fan ist. Gerne möchten wir die ganze Familie zu einem speziellen Trainingsbesuch inkl. Überraschung einladen! [...] Wir wünschen Mael und Euch alles Gute, viel Kraft und trotz allem schöne Festtage! Bis bald, wir freuen uns!" Es ist schön zu wissen, dass viele Leute mithelfen, damit Mael trotz allem ein erfülltes Leben hat... Herzlichen Dank! Wir freuen uns alle schon sehr!
Und dann stand Weihnachten vor der Tür. Dieses Jahr habe ich für die Jungs einen Kalender gemacht und auch das Haus schön weihnächtlich dekoriert. Weihnachten ist eine schöne Zeit und ich wollte es auch so gestalten. Je näher der Tag aber kam, desto trauriger wurde ich. Ich fiel in ein Loch. Wieso können wir uns nicht einfach auf diesen Tag freuen, auf das Lachen unserer Kinder und die strahlenden Augen? Wieso muss immer diese grausame Angst mit uns im Haus wohnen, diese Angst, dass das vielleicht die letzten Weihnachten sind, wo Mael so stabil ist. Die letzten Weihnachten, wo Mael noch mit den Geschenken spielen kann, wo er noch mit uns am Tisch selbständig ist und vor dem Baum die Weihnachtslieder mitsingt! Als ich dann am 23. Dezember am Abend eine wunderschöne Nachricht von Manuela für uns im Facebook las, musste ich mal wieder so richtig weinen. Und das tat gut. Es ging mir dann an Heilig Abend wieder besser und ich konnte den Abend mit meiner wunderbaren Familie, zusammen mit unseren lieben Eltern auch geniessen. Und der Abend war wirklich sehr schön. Die Jungs waren überglücklich, hatten grosse Freude am schön geschmückten Christbaum und den tollen Geschenken. Unsere Jungs waren wunschlos glücklich und zufrieden und das half mir mit dieser Traurigkeit und Angst besser klar zu kommen.
Silvester kam und wir feierten den Abend zu Hause. Mael hatte kurz davor noch einen üblen Magendarmvirus erwischt und war so geschwächt wie lange nicht mehr. Sein Körper verkraftet Infekte und Viren schlecht und er hat dann jeweils sehr wenig Kraft. Es ging ihm zum Glück bald wieder besser und wir hatten unseren herzigen, aufgestellten und fröhlichen Mael zurück. Wie sehr ich ihn doch schon vermisst habe. Am Abend vom Silvester assen wir was Feines zusammen und machten noch einen Spaziergang im Dunkeln. Wir nahmen Taschenlampen und Wunderkerzen mit. Auf dem Weg hielt ich an, nahm Mael fest in die Arme und schickte meinen Wunsch für das nächste Jahr zu den Sternen. Es ist nur ein Wunsch. Ein Wunsch, für den wir auch im nächsten Jahr mit all unserer Liebe und Kraft kämpfen werden.
Claudia Oetterli
Ich wünsche mir für das neue Jahr, dass unser Familienschiff dem ständig stürmischen Alltag weiterhin standhält, dass wir weiterhin die Kraft aufbringen für unsere drei Jungs dazusein und, dass wir weiterhin auf eine Chance für Mael hoffen dürfen.
Matthias Oetterli
Wie soll ich auch den ersten Blogeintrag beginnen. Es gibt so viele Themen und so viele Dinge, die ich hier beschreiben möchte. Vieles habe ich schon auf der Website geschrieben und doch gibt es noch so vieles über das Leben mit Niemann Pick C zu sagen. Seit der Diagnose dreht sich sehr, sehr viel, ja fast alles um Maels Krankheit. Sie ist immer und überall da und es gibt einfach kein Entrinnen - nicht mal im Schlaf. Lange habe ich damit gekämpft und mir so sehnlichst gewünscht, zurück in die Zeit vor der Diagnose zu kehren und für immer da zu bleiben. Doch mit jedem Tag, der vergeht, rückt die Krankheit und der Verlust näher und es gibt einfach keinen Ausweg. Inzwischen ist die Sehnsucht nach der Vergangenheit bei mir etwas kleiner geworden. Ich kann auch wieder Bilder und Videos von Mael vor Diagnose anschauen, ohne dass es micht fast vor Schmerz zerreisst.
Wir leben heute – hier und jetzt. Das sage ich mir immer wieder innerlich und am meisten helfen mir dabei meine drei wundervollen Kinder. Für sie bin ich jeden Tag da und sie zeigen mir jeden Tag, dass genau das "Hier und Heute" das Wichtigste im Leben ist. Und wenn ich das "Hier und Heute" so anschaue, dann ist das doch gar nicht so schlecht. Allen, auch Mael, geht es gut und meine drei Jungs sind glücklich und zufrieden. Und auch Tise und ich haben es geschafft, als Paar und als Eltern weiterhin zu funktionieren und zusammen zu halten.
Mael weiss noch nichts von seinem traurigen Schicksal. Er weiss zwar, dass er eine Krankheit hat und er deshalb auch immer wieder zur Kontrolle ins Spital muss. Aber Mael weiss nicht, was ihn erwarten wird. Er weiss nicht, dass ohne ein Wunder seine Träume nicht in Erfüllung gehen werden und, dass er nie gross und stark wie Papi wird. Mael beschränkt seine Krankheit im Moment vor allem auf die vergrösserte Milz. Er spürt zwar, dass er mit seinen Freunden und auch seinem Bruder vor allem motorisch nicht mehr mithalten kann. Aber Sorgen macht er sich deswegen nicht. Vor ein paar Monaten gab es allerdings eine Zeit, wo er mehr über seine Krankheit wissen wollte. Er stellte Fragen, ob er auch einmal einen Rollstuhl haben muss, ob er nie zur Schule gehen kann oder ob er sterben wird. Hat er doch mehr gehört und verstanden, als es uns lieb ist? Weiss er von seinem Schicksal? Solche Fragen sind jeweils sehr schwierig zu beantworten. Aber wir sind ehrlich und beantworten sie kindsgerecht und so, dass seine kleine Kinderseele damit klar kommt. Und nun sind solche Fragen für ihn anscheinend nicht mehr so brennend und er ist einfach wieder hier und heute – glücklich und zufrieden.
Wenn ich mir so überlege, wie Mael hier und heute so ist, dann gibt es nur ein Wort - wunderbar. Mael ist ein sehr aufgewecktes und sensibles Kind. Er nimmt so viel wahr und beobachtet viel. Er hat bereits sehr viel an Emotionen mitbekommen und das hat ihn auch geprägt. Wenn Mael lacht, dann öffnet es mir immer wieder mein schmerzendes Herz. Er hat ein wunderschönes und breites Lachen mit strahlenden grün-braunen Augen. Mael und ich habe ein sehr inniges und liebevolles Verhältnis. Er braucht auch sehr viel Nähe und Wärme. Und wenn ich ihn in meinen Armen halten und streicheln darf, dann gibt es immer wieder Momente, wo ich ihn einfach nicht mehr loslassen will. Niemehr, niemals! Aber das werde ich wohl oder übel einmal tun müssen. Aber nicht hier und auch nicht heute. Ich brauche ihn einfach noch so sehr!
Claudia Oetterli
Familie Oetterli | Breiteichlimatt 2 | 6044 Udligenswil | info@maeloetterli.ch